Nachlassverwaltung:
John Wilmot,
Earl of Rochester
(1647-1680)

"He lived worthless and useless and blazed out his youth and health in lavish voluptuousness."
Dr. Samuel Johnson
"For five years together he was continually Drunk: not all the while under the visible effects of it, but his blood was so inflamed, that he was not all that time Cool enough to be perfectly Master of himself."
Gilbert Burnet
"The
wildest and most fantastical odd man alive"
Rochester
über Rochester
"Ganze
Bände könnte man zusammendrucken, welche als ein Kommentar
zu jenem schrecklichen Texte gelten könnten."
Goethe über "A Satyr against Reason and Mankind"
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Bless
me! thought I, what thing is man, that thus
In all his shapes, he is ridiculous?
Ourselves with noise of reason we do please
In vain: humanity´s our worst disease.
Gott
steh mir bei! Der Mensch, so dachte ich,
warum ist er so furchtbar lächerlich?
Wir preisen lautstark die Vernunft vergebens:
Das Menschsein ist die Krankheit unsres Lebens.
John
Wilmot, zweiter Earl of Rochester, ist der berühmteste und berüchtigste
"Cavalier Poet" der englischen Restaurationsepoche und gilt
als Prototyp des barocken "Court Rake", des geistreichen
Wüstlings von Stand.
Bereits
als Teenager kam er an den Hof Charles II. ein hübscher
Junge, der die Kunst der galanten Konversation wie kein zweiter beherrschte
und sonst zu wenig nutze war; der König schätzte seine Gesellschaft,
allerdings fiel Rochester immer wieder wegen allerlei absurder Streiche
in Ungnade. Auch mit seiner Frau, mit der er vier Kinder hatte, kam
er nicht zurecht. Er verbrachte viel Zeit irgendwo auf halbem Weg
zwischen Schloss Whitehall und seinem Landsitz, weil man ihn hier
wie dort nicht mehr empfangen wollte.
Getrieben von einer gewaltigen hektischen Energie, wusste er sein
Leben lang nicht, wohin mit seinen Kräften. Der Krieg vermochte
ihn nicht zu fesseln, die Politik ebensowenig, die Schauspielkunst,
sein großes Talent, war nicht standesgemäß –
und einen hauptberuflichen Dichter konnte sich ein Earl schließlich
auch nicht nennen. So machte sich denn Lord Rochester einen Ehrgeiz
daraus, alle Konkurrenz um Längen zu schlagen in der Kunst, die
man die Ausschweifung nennt.
I‘ve
outswilled Bacchus, sworn of my own make
Oath would fright Furies and make Pluto quake
I‘ve swived more whores more ways than Sodom‘ s walls
E ‘er knew, or the College of Rome‘s Cardinals,
Witness heroic scars – look here, ne‘er go! –
Cerecloths and ulcers from the top to toe ...
Pox
on't, why do I speak of these poor things?
I have blasphemed my God and libeled Kings!
The readiest way to hell! Come quick!
Ne‘er
stir:
The readiest way, my Lord, ‘s by Rochester.
Wie
Bacchus soff ich, schrie Injurien
schlimmer als Pluto samt den Furien,
was ich mit Huren tat, wenn ichs erzähle,
erschreck ich Sodom und Roms Kardinäle,
die
Narben sieh, die kühn mich übersäen,
Pflaster, Geschwür vom Kopf bis zu den Zehen...
Die
Pocken über die Banalität!
Könige und Gott hab ich geschmäht!
Der schnellste Weg zur Hölle! Rasch!
Mein
Herr,
der schnellste Weg führt über Rochester.
Nach
jahrelanger Krankheit starb Rochester mit 33 Jahren, am 26. Juli 1680;
vielleicht an der Syphilis, vielleicht an Quecksilberkuren. Seine
dramatische Reue und Läuterung auf dem Sterbebett, was auch immer
von dieser Geschichte zu halten ist, verschaffte ihm einen zweifelhaften
Nachruhm als Exempel in der christlichen Erbauungsliteratur.
Er
hinterließ etwa 100 Gedichte. Da sie nicht für den Druck
geschrieben wurden, sind sie meist als Kopien überliefert, die
Rochesters Fans zum eigenen Gebrauch anfertigen ließen. Es gibt
viele falsche Zuschreibungen; die Literaturwissenschaft bemüht
sich seit den 1960er Jahren um die Rekonstruktion eines verbindlichen
"Rochester-Kanons" – vorher galt es nicht als schicklich,
sich mit seinem Gesamtwerk zu befassen. Heute zählt man ihn im
angelsächsischen Sprachraum zu den wichtigsten Dichtern seiner
Generation.
Bislang
war keine
deutsche Ausgabe von Rochesters Werken erhältlich. (Die pornographische
Komödie "Sodom", die Anfang des 20. Jahrhunderts in
einem Privatdruck auf deutsch erschienen ist und mehrfach nachgedruckt
wurde, ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine falsche Zuschreibung.)
Nachdem
sie mit Freude feststellte, dass sich ein Mensch ohne weiteres 23
deutsche Reime auf das Wort "Dildó" aus dem Hirn
melken kann, übersetzte Frau Wunnicke einen Teil von Lord Rochesters
Nachlass; es war ihr eine große Ehre.
Im
Frühling 2005 hat der mutige
Männerschwarm-Verlag Wunnickes Auswahl aus Rochesters
Gedichten (engl./dt.) und Briefen mit Einleitung und Kommentar
publiziert. Die Übersetzung wurde vom deutschen Übersetzerfonds
e.V. gefördert.
Dank
guter Resonanz in der Presse gab es dann auch eine Taschenbuchausgabe
bei dtv. Hier ist das Zitat auf der Rückseite nicht so unanständig,
innen steht aber dasselbe.
But
cowards shall forget to rant,
Schoolboys to frig, old whores to paint,
The Jesuits‘ fraternity
Shall leave the use of buggery,
Crab-louse, inspired with grace divine,
From earthly cod to heaven shall climb;
Physicians shall believe in Jesus,
And disobedience cease to please us,
Ere I desist with al my power
To plague this woman and undo her!
Wenn
Hasenfüße nicht mehr tricksen,
Huren nicht schminken, Jungs nicht wichsen,
wenn das Jesuitenheer
nimmt Abschied vom Analverkehr,
die Filzlaus, göttlich angehaucht,
beseligt in den Himmel kraucht,
wenn Ärzte baun auf Jesus Christ,
wenn Trotz nicht mehr in Mode ist
dann will ich aufhörn zu forcieren,
dieses Weib zu ruinieren!
Die
letzten Jahre von Rochesters Leben wurden 2004 verfilmt ("The
Libertine"; Regie Laurence Dunmore). Johnny Depp spielt Lord
Rochester mit viel Feuer – und Nasenprothese. Bless him!
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